Fazit und Ausblick

Zu Beginn startete dieses Forschungsprojekt mit der Vorstellung, dass Inklusion in informellen Beteiligungsverfahren zu einem großen Teil auf eine technisch Weise zu lösen sei, also im Sinne einer methodisch-funktional ausgerichteten Verfahrensgestaltung, die auf spezielle Bedürfnisse von Nicht-Beteiligten adäquate Antworten liefern kann. So war anfangs auch die Vorstellung des zu entwickelnden Webtools davon geprägt, dass dieses Webtool in erster Linie passende Formate und Methoden aufzeigt und Verantwortlichen dabei hilft, die richtigen Formate und Methoden auszuwählen und dadurch eine inklusive Beteiligung zu ermöglichen.

Augenscheinlich war, dass es ein umfangreiches Verständnis von Verfahrensgestaltung braucht, in dem auch die Rahmenbedingungen eines Verfahrens reflektiert und eingeplant werden. Diesem Anspruch wollten wir zunächst mit der Verfahrensleinwand gerecht werden. Es lag ein Aus-gangsverständnis zugrunde, nach dem soziostrukturelle Begründungen für Nicht-Beteiligung eine wichtige Rolle spielen, dass diesen aber nur wenig oder nur indirekt über die Gestaltung der Beteiligungsverfahren begegnet werden kann. Es wurde aber angenommen, dass die vorhandenen individualistischen Gründe für Nicht-Beteiligung zu einem großen Teil über eine optimale Verfahrensgestaltung aufgefangen werden könnten. Das könnte geschehen, indem man auf geringe zeitliche Ressourcen der gewünschten Beteiligten mit entsprechenden Freistellungen von Arbeit oder Schule reagiert, indem mit einem professionellen Einladungsmanagement und einer optimalen persönlichen Ansprache und eventuellen Anreizen Unentschlossene motiviert. Oder es geschieht, indem man einen leicht erreichbaren und zugänglichen Ort wählt und sicherstellt, dass Ergebnisse zügig umgesetzt werden. In Kombination mit innovativen und kreativen Veranstaltungsformaten, die gleichermaßen Spaß machen, motivieren und konkrete Ergebnisse liefern, hätte man entsprechend diesen individualistischen Gründen für Nicht-Beteiligung durch eine entsprechende Verfahrensgestaltung erfolgreich begegnen können.

Fazit

Dieser ursprüngliche Ansatz hat sich als nicht vollständig erwiesen. Tatsächlich gehört eine optimale und auf den Kontext abgestimmte Auswahl der Formate und der verwendeten Metho-densequenzen zur handwerklichen Basis für ein erfolgreiches Beteiligungsverfahren. Auch bietet die Verfahrensgestaltung selbst viele Möglichkeiten, auf offene und versteckte Bedürfnisse der gewünschten Beteiligtengruppe einzugehen und ihnen damit buchstäblich entgegenzukommen. Transparenz, Anreize und Motivation können durch gute Verfahrensgestaltung geschaffen und viele Hemmschwellen durch eine optimale organisatorische und logistische Vorbereitung abge-baut und vermieden werden.

Offensichtlich kann man jedoch formal, technisch und methodisch Vieles richtig machen und doch keinen oder wenig Erfolg hinsichtlich der Inklusion in Beteiligungen haben. Das liegt zu einem großen Teil an soziostrukturellen Dispositionen, die stark in die individualistischen Gründe der Nicht-Beteiligung hineinwirken und zu wenig über Verfahrensgestaltung verringert werden können. Innerhalb der Untersuchung zeigte sich bezüglich der eingangs formulierten Frage, worin indviduelle Gründe für Nicht-Beteiligung liegen, dass sich diese nicht nur auf konkrete alltagsrelevante Faktoren (wie mangelnde Zeit, Lust, Interesse, Ressourcen) einer Person reduzieren lassen. Vielmehr sind diese Gründe Teil eines individuellen Begründungskomplexes, der stark von prozessualen und gesellschaftlich oder kulturell geprägten Wahrnehmungen zur eige-nen Rolle und Wirksamkeit innerhalb der Gesellschaft bestimmt ist. Es wurde deutlich, dass ins-besondere das Thema Vertrauen, sowohl in Bezug auf das eigentliche Verfahren als auch allgemein als grundsätzliches Vertrauen in Gesellschaft, Politik und ihre Akteurinnen und Akteure, Institutionen und Prozesse elementar darüber entscheidet, ob sich Menschen beteiligen oder nicht.

Mit dem Thema Vertrauen sind die Aspekte der Haltungen aller beteiligten Akteure und die auf dieser Haltung basierende Kommunikation von entscheidender Bedeutung. Viele Antworten von Nicht-Beteiligten und auch die Muster des Gelingens, die von Expertinnen und Experten der Fachkonferenz formuliert wurden, weisen in diese Richtung. Es sind Aspekte wie Glaubwürdigkeit, Sinnhaftigkeit, Wertschätzung, Wirkmächtigkeit und die eigene Wahrnehmung, die ausschlaggebend dafür sind, ob sich jemand beteiligt oder nicht. Für die individuelle Entscheidung für oder gegen eine Beteiligung ist es wesentlicher, ob innerhalb einer Gesellschaft grundsätzlich Vertrauen, eine offene Haltung und eine ehrliche, transparente Kommunikation vorhanden ist, durch die sich Menschen als anerkannter Teil dieser Gesellschaft wahrnehmen als die Frage, ob zu einem Beteiligungsverfahren passende Zeiten, gut formulierte Einladungen, schön gestaltete Plakate oder das richtige methodische Format gewählt wurde. Ob Menschen sich als Subjekt oder als Objekt und damit als Spielball politischer Prozesse wahrnehmen, gibt den entscheidenden Ausschlag für oder gegen eine Beteiligung.

Jene Faktoren, die sich nicht alleine aus technischen Aspekten des Verfahrens ergeben, sondern aus einer Metaebene der Haltungen heraus auf das Verfahren wirken, haben wir Prozesseinflussfaktoren genannt. Anders gesagt, kann diese Metaebene wie folgt beschrieben werden: Prozesseinflussfaktoren wie Vertrauen, Haltungen und Kommunikation spiegeln die einem Verfahren zugrunde liegende ‚Kultur der Teilhabe’ wider, so lautet unsere Interpretation der Ergebnisse. Die folgende Abbildung zeigt die Wechselwirkungen zwischen der Prozessebene der Teilhabekultur und der Verfahrensebene der Praxis auf und die darauf rekurierenden soziostrukturellen und individualistischen Begründungsstrukturen.

Akteursbezogenen Begründungsmustern für Nicht-Beteiligung muss auf unterschiedliche Weise begegnet werden. Individualistischen Entscheidungsoptionen für oder gegen eine Teilnahme kann in der Praxis durch die konkrete Verfahrensgestaltung begegnet werden. Die grundsätzliche Bereitschaft von Akteuren, an Verfahren teilzuhaben, ist jedoch stark von soziostrukturellen Realitäten und deren Wahrnehmungen geprägt, denen nur durch eine grundsätzliche, postive Kultur der Teilhabe begegnet werden kann.

Die Ergebnisse der Befragungen geben Anlass zu der Annahme, dass eine weitere Ebene auf die Beteiligungsbereitschaft wirkt. Die sichtbaren und konkreten Ergebnisse von Beteiligungsprojekten, die tatsächlich umgesetzt werden, wirken sich unmittelbar auf die Beteiligungsbereitschaft aus, weil sie im Alltag als wahrnehmbarer Erfolg oder Misserfolg erlebt werden.