Thematischer Hintergrund

Die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern im Vorfeld oder im Verlauf öffentlicher Planungen und Vorhaben hat in den letzten Jahren an Selbstverständlichkeit gewonnen. Vielerorts erarbeiten Kommunen Leitfäden und Handbücher zur Bürgerbeteiligung. Bei Stadtund Dorfentwicklungsplanungen sowie Infrastrukturprojekten sind zumindest Informationsveranstaltungen vorgesehen, häufig als Dialogverfahren. Die Beteiligung der Öffentlichkeit ist spätestens seit dem viel zitierten ‚Stuttgart 21’ geradezu eine normative Verpflichtung geworden, sowohl für Kommunen als auch in der Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger (Haß et al., 2014, S. 2, Klages, 2014). In diesem Feld der informellen Öffentlichkeitsbeteiligung kommen zahlreiche Formate und Methoden zum Einsatz, häufig begleitet durch externe Moderation,die Bürgerinnen und Bürger einerseits sowie Kommunen und Vorhabenträger andererseits miteinander in einen Dialog bringen sollen (für eine umfassende Übersicht siehe: Alcántara et al., 2014). 

Während ein quantitativer Anstieg der Beteiligung zu verzeichnen ist, ist damit allerdings noch nichts über die Qualität dieser Verfahren gesagt (vgl. Dienel & Furhmann, 2014, S. 22). Die Forschung zur Qualität von Beteiligungsverfahren und –prozessen steckt noch in den Anfängen. Systematische Evaluationen von Verfahren sind ebenso die Ausnahme wie einheitliche Kriterien zur Bewertung. Ausnahmen sind z.B. das Projekt ‚DELIKAT Fachdialoge Delibirative Demokratie: Analyse Partizipativer Verfahren für den Transformationsprozess’ das 2014 in einem „transdisziplinären Versuch eine breit angelegte Systematisierung von Partizipationsformen“ (Alcántara et al., 2014, S. VI) untersuchte und das als eine richtungsweisende Forschung für die hier vorliegende angesehen werden kann. 

Neben Transparenz, Effizienz und Empowerment wird das Thema Inklusion häufig als zentrale Qualitätsdimension identifiziert (vgl. Alcántara et al., 2014, S. 28). Repräsentativität oder zumindest Heterogenität der Teilnehmenden sind demnach von Bedeutung für die Qualität eines Verfahrens. Viele Praktizierende berichten allerdings von der Erfahrung, dass es bei Beteiligungsverfahren eine Dominanz bestimmter gesellschaftlicher Gruppen gibt: „Da kommen doch immer nur die Gleichen“ (Selle, 2005, S. 474). Dieses, auch in der Literatur beschriebene Beteiligungsbias, besagt, dass bestimmte gesellschaftliche Gruppen[1] insgesamt mehr Einfluss auf die Ergebnisse eines Beteiligungsverfahrens hätten als andere, die sich tendenziell weniger beteiligten (vgl. Kersting et al., 2008, S. 42, Kuder & Ritzi, 2013).

Da informelle Partizipationsverfahren in der Regel freiwillig sind und nur selten nach soziodemographischen Daten gefragt wird, ist diese Annahme aus der Praxis schwer zu belegen. Die themennahe Sozialforschung und Forschung zu politischer Beteiligung erlauben Rückschlüsse auf tendenziell beteiligungsferne Milieus. Zu den Gründen der Nicht-Beteiligung sowie zu Möglichkeiten der Inklusion bei informellen Beteiligungsverfahren gibt es bisher jedoch mehr Spekulationen als erforschte Aussagen. An dieses Desiderat knüpft die Untersuchung „Impulse zur Bürgerbeteiligung vor allem unter Inklusionsaspekten“ an und untersucht die Gründe für Nicht-Beteiligung. 


[1] Das stereotype Vorurteil spricht von in der Mehrzahl weißen, gebildeten Männern über 50 Jahren, die sich beteiligen.