Intention(en) zu Beteiligen

Bedeutungen von Inklusivität 

Aus den diversen Perspektiven unterschiedlicher Beteiligungsdiskurse kristallisieren sich vier idealtypische Intentionen von Beteiligungsverfahren heraus, die wiederum jeweils eigene Inklusionsansprüche und -verständnisse mit sich bringen. 

Das Thema Inklusion in Beteiligungsverfahren entlang differenzierbarer Beteiligungsintentionen zu untersuchen, ist dahingehend zielführend, dass die Frage der Inklusion wesentlich präziser gestellt werden kann. Aus dem zunächst normativen Postulat der Inklusion ergeben sich weitergehende Fragen danach, wer, wie, woran und warum beteiligt werden soll. Aus den unterschiedlichen Diskursen der mit Beteiligungsverfahren befassten Disziplinen und Professionen lassen sich auf diese Fragen ganz unterschiedliche Antworten finden, die große Auswirkungen auf das weitere Verständnis der Inklusionsanforderungen haben. 


Legitimität durch Repräsentativität 

Ein auf den ersten Blick wesentlicher Grund dafür, öffentlichen Vorhaben ein (informelles) Beteiligungsverfahren voranzustellen, ist der Wunsch von Politik oder Verwaltung, Akzeptanz für das fragliche Vorhaben zu generieren oder Verfahrensergebnissen eine größere Geltungsmacht zu verleihen. Durch frühzeitige und bestenfalls transparente Kommunikation über die Pläne, durch das Angebot an Betroffene und Interessierte, ihre Meinungen und Anregungen vorzubringen und durch die Möglichkeit, Widerspruch und Widerstände bereits im Vorfeld zu identifizieren, kann eine Verwaltung die Akzeptanz für ihr Vorhaben erhöhen und dem sogenannten ‚Wutbürger’-Phänomen begegnen. 

Eine Sorge, die seitens der Organisierenden dabei mitschwingen kann, ist, in einem solchen Verfahren organisierten Interessengruppen oder starken Partikularinteressen zu viel Gewicht beizumessen. Ein Weg mit diesem Bedenken hinsichtlich verzerrter Ergebnisse und dahingehender Kritik umzugehen, ist der Versuch, mit dem Teilnehmendenfeld ein möglichst genaues sozidemographisches Abbild der jeweiligen Bevölkerung abzubilden. 

Der Wunsch nach Akzeptanz ist demnach eine mögliche Intention für ein Beteiligungsverfahren. Inklusion definiert sich dabei über soziodemographische Repräsentativität, also einen Querschnitt der jeweils betroffenen Bevölkerung. Merkmale wie Alter, Herkunft, Geschlecht oder Bildungsstand gilt es bei dieser Intention im Teilnehmendenfeld möglichst adäquat abzubilden. 


Qualität durch Multiperspektivität 

Eine zweite mögliche Intention zur Durchführung eines Beteiligungsverfahrens besteht in dem Wunsch, durch die Einbeziehung von Bürgerinnen die Qualität von Planungsergebnissen zu erhöhen. Dahinter steht die Idee, dass ein konstruktives und kreatives Beteiligungsverfahren, das alle relevanten Perspektiven zusammenbringt und eine gegebene Problemstellung somit aus vielen Blickwinkeln beleuchtet, bessere Ergebnisse hervorbringt als monologisches Verwaltungshandeln. Auch die Beteiligung von Bürgerinnen als Träger praktischer Expertise und spezifischen Wissens fällt hierunter. 

Die Teilnehmenden treten in diesem Fall weniger als Repräsentantinnen soziodemographischer Merkmale auf, sondern sind vornehmlich als Ideengebende und Alltagsexperten, als kreatives Potenzial gefragt. Die Heterogenität des Teilnehmendenfeldes hat dann die Funktion, aus unterschiedlichen Formen der Betroffenheit von der jeweiligen Planung (z.B. als Anwohner, Gewerbetreibende, Nutzerinnen u.v.m.) eine Lösung zu finden, die all diese Betroffenheiten berücksichtigt. 

Inklusion definiert sich hier über Betroffenheit und Expertise: Im Beteiligungsverfahren soll sichergestellt sein, dass alle relevanten Perspektiven vertreten sind. Bei der Planung eines kleinen Nachbarschaftsparks mit Spielplatz kann das beispielsweise bedeuten, dass Eltern, Kinder, Mitarbeiterinnen des Grünflächenamtes, die Urban-Gardening-Initiative und Spaziergänger mit ihren jeweiligen Bedürfnissen teilnehmen. Geschlecht, Alter, ethnische Herkunft oder Bildungsstand sind dabei jedoch zweitrangig. 


Empowerment durch Erfahrung von Selbstwirksamkeit 

Eine dritte Intention zu beteiligen besteht darin, benachteiligte Gruppen zu aktivieren und zur gesellschaftlichen Teilhabe zu befähigen (Empowerment). Beteiligt wird hier nicht der Ergebnisse oder deren Legitimation wegen, sondern um der Akteure und ihrer individuellen Entwicklung willen. 

Häufig kommt diese Intention bei Projekten zur Entwicklung benachteiligter Quartiere zum Tragen: „In diesen segregierten Räumen der Stadt leben Menschen, die geringe Teilhabe-Chancen haben und in Beteiligungsprozessen schwer erreicht werden”. Mit Förderprogrammen, beispielsweise der ‚Sozialen Stadt’18, sollen diese Menschen für die Mitarbeit an der Quartiersentwicklung gewonnen werden. Im Diskurs um die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen findet sich ebenfalls oft die Intention, durch Förderung oder spezielle Berücksichtigung in Beteiligungsprozessen eine aktivierende Wirkung zu erzielen. 

Auch wenn es hinsichtlich der Methoden der Förderung und der gezielten Beteiligung widersprüchliche Ansichten gibt – so kann die Beteiligungsarbeit mit besonderen Zielgruppen beispielsweise auch als Verstärkung bestehender Stigmatisierungen verstanden werden – definiert sich Inklusion jedoch aus der Intention des Empowerments vornehmlich über die Beteiligung und Aktivierung besonders benachteiligter Gruppen und Milieus. Ein Beteiligungsverfahren hat dann nicht vornehmlich die Legitimation oder die Qualität der Ergebnisse im Blick, sondern ist auf die Weiterentwicklung der Teilnehmenden durch Selbstwirksamkeitserfahrungen gerichtet. Inklusion bedeutet dann nicht, repräsentative Querschnitte der Bevölkerung zu beteiligen, sondern ausdrücklich benachteiligte oder beteiligungsferne Gruppen anzusprechen. So soll unabhängig von gesellschaftlichen Verhältnissen oder personellen Merkmalen ein Zugang zu Beteiligungsverfahren geschaffen und exkludierenden Faktoren entgegengewirkt werden. Dies kann bedeuten, dass verschiedene Menschen oder Gruppierungen unterschiedliche Zugangsmöglichkeiten und vielfältige Unterstützung benötigen, um an einem Beteiligungsverfahren teilnehmen zu können bzw. um während einer Beteiligungsveranstaltung ihre Anliegen einzubringen. 


Verwirklichung eines demokratischen Selbstverständnisses durch Egalität 

Die vierte Beteiligungsintention ist etwas abstrakter und lässt sich als normativer Anspruch zur Vertiefung demokratischer Beteiligung durch informelle Verfahren einordnen. Hierunter fallen Absichten zur fundierten Meinungsbildung, zur Verwirklichung demokratischer Werte wie Gleichheit oder zur Belebung der demokratischen Kultur im Sinne eines gesellschaftlichen Selbstverständnisses. 

Analog zu politischen Wahlen ist die Teilnehmendenschaft nicht im Voraus bestimmt und definiert sich nicht über besondere Merkmale. Gleiche Zugangschancen und damit möglichst große Barrierefreiheit sollen allen Menschen gleichermaßen eine Mitwirkung ermöglichen. Wie bei Wahlen bleibt die Teilnahme jedoch auch hier freiwillig und ist durch die selbst getroffene Entscheidung teilzunehmen geprägt. Dementsprechend bedeutet Inklusion gemäß dieser Intention vor allem, einen diskriminierungsfreien Zugang zu schaffen. Die Teilnehmendenschaft ist damit zumindest potenziell repräsentativ.